Kundenfrage: Wie entwickeln sich die Bauzinsen in den nächsten 5 bis 10 Jahren?
Eigentlich ahnt jeder Fragesteller schon beim Aussprechen der Frage, dass niemand die Antwort auf diese Frage wirklich kennt. Und trotzdem wird sie auch mir immer wieder gestellt. Ich habe daher recherchiert, was denn schlaue Köpfe zu diesem Thema derzeit äußern. Ich für mich bin im Nachhinein immer froh, wenn ich die nächsten Wochen richtig eingeschätzt habe.
Zunächst ein paar Fakten…
Wie hat sich der Leitzins der EZB entwickelt?
Unschwer zu erkennen ist der Leitzins seit Juli 2022 deutlich erhöht worden. Die Bauzinsen nehmen diese Entwicklung oft schon voraus, dazu unten mehr. Für September wird übrigens nochmals mit einer Erhöhung des Leitzinses um 0,25% gerechnet.
Wie kommen denn auf Bankseite die Bauzinsen zu stande?
Nein, Sie werden nicht gewürfelt. Abgesehen von eher weichen Faktoren wie der Zinsbindung, Sondertilgung oder Bereitstellungszinsen spielt vor allem der Eigenkapitaleinsatz eine maßgebliche Rolle.
Auch wenn das grundsätzliche Zinsumfeld für alle Banken gleich ist, gibt es doch große Unterschiede bei den Hypothekenzinsen, die Banken ihren Kunden anbieten, da jede Bank auf ihre jeweiligen Refinanzierungskosten noch Risikokosten sowie ihre Gewinnmarge aufschlägt. Bei einem aktuellen Vergleich für ein Neubauprojekt eines Kunden liegen zwischen dem günstigsten und dem teuersten Anbieter 1,99% Unterschied im Sollzinssatz!
Wie hoch die Gewinnmarge ausfällt, hängt von der Geschäftspolitik der Bank ab: will sie z.B. mit Baufinanzierungen neue Kunden gewinnen, gibt sie sich evtl. mit einer geringeren Gewinnmarge zufrieden, als eine Bank, die sich auf andere Produkte (z.B. Girokonto) zur Kundengewinnung konzentriert. Und natürlich haben auch die jeweiligen Kostenstrukturen und Refinanzierungsmöglichkeiten der Banken Auswirkungen auf deren Zinssätze.
Ich wurde zu meiner Startzeit in Mittelfranken häufig mit den Angeboten einer bestimmten Bank konfrontiert. Aber nur weil diese Bank in der Vergangenheit etwa das Haus des Nachbarn oder des Cousins finanziert hat, muss sie nicht auch heute noch die beste Wahl sein. Welche Bank tagesaktuell die besten Kreditzinsen bietet, zeigt erst der Vergleich durch einen Hypothekenmakler wie mich.
Auch spannend: Baugeld für 10 Jahre ist seit Mitte 2022 meistens günstiger als Zinssätze für 5 Jahre Zinsbindung. Man nennt dies eine inverse Zinskurve. Das kann ein Zeichen dafür sein, dass die Märkte mittelfristig davon ausgehen, dass die Zinsen in wenigen Jahren wieder sinken. Bei den längeren Zinsbindungen von 15 und mehr Jahren ist es derzeit so, dass der Schritt von 10 auf 15 Jahre Zinsbindung meist nur ca. 0,1% bis 0,2% mehr kostet. 30 Jahre Zinsbindung habe ich tw. günstiger gesehen als 20 Jahre Zinsbindung. Prüfe daher immer, mit welcher Zinsbindung du besser fährst, denn im Moment bezahlst Du für zusätzliche Zinssicherheit relativ wenig. Und dann gibt es da ja noch §489 BGB…
Was sind Pfandbriefe? Und gibt es einen Zusammenhang mit Hypothekenzinsen?
Um Hypothekenzinsen zu kalkulieren, orientieren sich die meisten Banken an Pfandbriefen und langfristigen Bundesanleihen. Pfandbriefe sind festverzinsliche Wertpapiere, die durch Hypotheken besichert sind. Daher gelten die Pfandbriefe auch als besonders sicher und die ausgebenden Banken müssen einen vergleichsweise geringen Pfandbriefzins bezahlen.
Auch wenn dir und den meisten Mitbürgern Pfandbriefe eher unbekannt sind, haben sie eine große Bedeutung für Verbraucher. Bei Pfandbriefen dürfen nur maximal 60 Prozent des Immobilienwerts als Sicherheit dienen. Banken können sich also bis zu dieser Grenze besonders günstig Geld besorgen, um es als Baukredit an Kunden weiterzureichen. Genau deshalb erhältst du bis 60% des Kaufpreises / Verkehrswertes der Immobilie den besten bzw. niedrigsten Zinssatz. Das bedeutet aber auch, dass du die restlichen 40 Prozent des Kaufpreises plus die Nebenkosten für Makler, Notar und Grunderwerbsteuer aus eigener Tasche bezahlen musst.
Der Pfandbrief konkurriert mit langfristigen Anleihen des Bundes als besonders sicheres Wertpapier. Die Bundesanleihen sind zwar nicht besichert, allerdings bürgt ja der Staat für die Zinszahlung und Rückzahlung des Kapitals. Deshalb ist auch die Rendite der langfristigen Bundesanleihe eine wichtige Orientierung für die Entwicklung der Hypothekenzinsen. An den Pfandbriefrenditen kannst du den drastischen Anstieg der Bauzinsen in der ersten Jahreshälfte 2022 deshalb gut nachvollziehen.
Die Anleihemärkte nehmen Zinsschritte der EZB übrigens häufig vorweg: erwarten viele Marktteilnehmer steigende Zinsen, so müssen die Banken die Pfandbriefzinsen anheben, um Anleihen überhaupt noch platzieren zu können. Gleichzeitig können Zinserwartung und Anleiherenditen aber auch auseinandergehen: steigt etwa aufgrund politischer Unsicherheit in anderen Ländern die Nachfrage nach sicheren deutschen Staatsanleihen, so sinken deren Renditen und Baukredite werden in Deutschland günstiger.
Zinsanstieg: Wie viel teurer könnte eine Baufinanzierung noch werden?
Natürlich verteuert sich die Baufinanzierung auch bei einem moderaten Zinsanstieg. Wenn Sie zu lange warten und Ihre Baufinanzierung zu einem höheren Zinssatz abschließen, steigen die Zinskosten und Sie müssen auch eine höhere Monatsrate tragen. Anhand eines Rechenbeispiels wollen wir Ihnen die Auswirkungen eines vermeidlich moderaten Zinsanstiegs zeigen.
Institut der Deutschen Wirtschaft:
Auch einige vorlaufende Indikatoren wie sinkende Großhandels- und Exportpreise deuten auf sinkende Inflation hin. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass nach einem letzten Zinsschritt im Sommer 2023 die Zinsen in etwa einem halben Jahr wieder sinken. Schon Anfang 2024 könnte die erste Zinssenkung in der Wohnungsbaufinanzierung folgen.
Solange die EZB die mittelfristige Inflation nicht unter zwei Prozent erwartet, sehe ich kaum Spielraum für Zinssenkungen.
Die US-Investmentbank Goldman Sachs prognostiziert eine weitere Zinserhöhungen der EZB im September um 0,25 Prozentpunkte. Danach geht sie von einer langen Pause aus und rechnet erst im vierten Quartal 2024 mit einer ersten Zinssenkung.
Auf Sicht von einigen Monaten oder Jahren könnten die Bauzinsen durchaus noch etwas ansteigen. Einen Zinsanstieg deutlich über 5 Prozent halten wir für eher unwahrscheinlich. Wahrscheinlicher erscheint uns ein Zinsgipfel zwischen 4 und 5 Prozent. Das zeigen auch die aktuellen Renditen an den Anleihemärkten.
Du siehst, auch hier sind die Meinungen der Experten nicht 100% übereinstimmend. Ich persönlich rechne für das restliche Jahr mit einer Seitwärtsbewegung. Und ich gehe auch davon aus, dass wir in einigen Jahren (3 bis 6 Jahre?) wieder niedrigere Zinsen haben werden. Zinsen über 5% kann ich mir nur in Ausnahmefällen vorstellen, nicht in der Breite. Ich bin gespannt, wie sehr ich daneben oder richtig liege.
